„Wann könnt ihr liefern?“, werden wir häufig gefragt. Die Transkreation ist in der Regel (einer) der letze(n) Schritte in einem langen Prozess, der von der Entwicklung einer Marke bis zum Ausrollen einer internationalen Marketingstrategie reicht. Für das Projektmanagement wäre es natürlich ideal, wenn man diesen Schritt anhand einer einfachen Formal zeitlich fassen könnte, zum Beispiel so:

Alles klar? Spaß beiseite – ganz so einfach ist es nicht. Häufig sind Kunden überrascht davon, wie lang eine Transkreation dauert. Sie fragen sich, warum ein Text, an dem viele kluge Köpfe lange gefeilt haben, nicht einfach schnell in eine andere Sprache übersetzt werden kann. Kann doch nicht so schwer sein!

Beispiel: Der Kultslogan

Aber was passiert eigentlich bei der Transkreation? Nehmen wir als Beispiel den Kultwerbespruch: „Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso“. Klingt auf den ersten Blick herrlich simpel. Und genau das ist eine der Besonderheiten von Slogans: Sie vermitteln die Kernbotschaft einer Marke in meist nur wenigen Worten. Einprägsam sollen sie sein, eine Emotion vermitteln und dem Kunden im Gedächtnis bleiben.

Was so locker-leicht daherkommt, ist in Wahrheit das Ergebnis vieler Brainstormings und unzähliger endloser Diskussionen. Oder anders gesagt: Es steckt ein Haufen Arbeit darin. Übersetzt man den Slogan von Haribo wörtlich ins Englische, kommt Folgendes dabei heraus: „Haribo makes children happy and adults as well“. Inhaltlich richtig, aber längst nicht so eingängig. Das können selbst Nicht-Muttersprachler auf den ersten Blick erkennen: Der Reim fehlt und auch die im Deutschen griffige Satzmelodie ist bei der Übersetzung verloren gegangen.

Der Transkreationsprozess: Zurück auf Los!

Eine Alternative muss her. Damit der Slogan (und damit das Produkt) auch bei den Angelsachsen ein Erfolg wird, braucht es eine englische Variante, die möglichst sofort im Gedächtnis haften bleibt. Gleichzeitig soll der englische Slogan dem Original treu bleiben. Er muss also:

  • die Botschaft des ursprünglichen Claims transportieren
  • bei englischsprachigen Zielkunden eine ähnliche Emotion hervorrufen
  • Tonalität und Werte der Marke respektieren
  • und dabei knackig und einprägsam sein

Mit anderen Worten: Der Transkreativtexter muss einen völlig neuen Slogan schaffen. Der Prozess verläuft in etwa parallel zu dem, der zur Entwicklung des Claims geführt hat: Erst einmal einen Überblick über das Unternehmen und dessen Angebot, Zielgruppe und Alleinstellungsmerkmale verschaffen – brainstormen – verschiedene Varianten erstellen – und dann so lange daran feilen, bis das Ergebnis mindestens so gut ist wie das Original. In unserem Beispiel lautet der englische Slogan in der finalen Fassung: „Kids and grown-ups love it so – the happy world of Haribo”. Klingt fast wie das Original: Reimt sich, ist eingängig, der Inhalt passt. Mit der wörtlichen Übersetzung („Haribo makes children happy and adults as well“) hat diese Fassung allerdings nichts mehr gemein.

Lohnt sich der Aufwand?

Die zweite Frage, die sich Kunden in dem Zusammenhang stellen, ist: Lohnt sich dieser Aufwand? Beim Slogan ist er für die meisten noch nachvollziehbar. Aber was ist mit Website-Inhalten, Social-Media-Posts, Kunden-E-Mails – die können doch einfach übersetzt werden! Oder? Nina Sattler-Hovdar – im deutschsprachigen Sprachraum die Autorität zum Thema – empfiehlt in ihrem Buch „Translation-Transkreation“ immer dann auf die Transkreation zurückzugreifen, wenn 

„[…] der übertragene Text für das Image (und dadurch mittelbar oder unmittelbar für den Umsatz) des Auftraggebers wichtig ist. […] Gemeint sind damit Texte, die das Image einer Marke wesentlich fördern (bzw. bei Nichterfüllung nachhaltig schädigen) können.“ [Sattler-Hovdar, 2016: S. 20]

Warum? Nehmen wir an, Sie haben eine E-Mail-Kampagne entwickelt, die sich speziell an die junge Zielgruppe der Millennials richtet. Sie sprechen Ihre Wunschkunden mit „Du“ an und überlegen sich für den Betreff ein witziges Wortspiel, um Interesse zu wecken (Stichwort Öffnungsrate!). Was passiert, wenn diese E-Mail wörtlich übersetzt wird? Das „Du” wird im Englischen zu „you“, was sowohl „Du“ als auch „Sie“ heißt und für den englischsprachigen Leser nichts Besonderes ist. Und auch das Wortspiel wird bei einer wörtlichen Übersetzung in den allermeisten Fällen nicht mehr funktionieren. Alles das, was für den deutschen Leser mitschwingt und die E-Mail besonders macht, geht also verloren – es sei denn, die E-Mail wird transkreiert und der junge, freche Ton kommt an anderer Stelle zum Ausdruck.

Tipp: Nah am Prozess bleiben

Gerade weil Marketingtexte einen hohen finanziellen und personellen Aufwand bedeuten, lohnt es sich, auch für die Transkreation ausreichend Zeit einzuplanen – nur so kommt Ihre Botschaft auch beim Kunden an. Wie viel Zeit sollten Sie also für die Transkreation einplanen? Grobe Faustregel: Je länger das Erstellen des Ursprungstextes dauert, desto mehr Zeit erfordert auch die Transkreation.

Am besten bitten Sie einen erfahrenen Transkreativtexter um seine Einschätzung. Lassen Sie sich von ihm erklären, an welchen Stelle die Übertragung knifflig werden könnte und warum. Eventuell können Sie Tipps geben, in welche Richtung man alternativ denken könnte – auch, wenn Sie kein Sprachprofi sind, kennt niemand Ihr Produkt bzw. Unternehmen so gut wie Sie selbst. So sind Sie näher dran am Transkreationsprozess und können sich unter Umständen die ein oder andere Korrekturschleife ersparen. Denken Sie auch daran, den Transkreativtexter gründlich zu briefen. Wie soll Ihre Marke wahrgenommen werden? Wofür steht Ihr Unternehmen? Welches ist Ihre Zielgruppe? Ein Profi wird Ihnen all diese Fragen stellen. Je mehr Informationen Sie ihm liefern, desto effizienter läuft der weitere Prozess.

Fazit

Wie lange eine Transkreation dauert, hängt wesentlich davon ab, wie viel kreative Arbeit im Original steckt. Ein Slogan ist beispielsweise konzeptionell aufwendiger als ein Newsletter-Text, da er die gesamte Essenz einer Marke in wenigen Worten wiedergeben muss. Ein erfahrener Transkreativtexter kann Ihnen eine genaue zeitliche Einschätzung zu Ihrem Projekt geben, damit das Ergebnis genauso durchdacht, griffig und überzeugend wird wie das Original.